Heinrich Hofmann, 17. November 2020
Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung
Der hervorragende Kommentar von Christian Geinitz „Das Ende der Energiegeschichte“ (FAZ vom 13. November 2020) trifft den Nagel auf den Kopf. So verleugnet die Umweltlobby aussichtsreiche Techniken bei gleichzeitigem Appell die Anstrengungen gegen den Klimawandel zu verstärken und auf erneuerbare Energien zu setzen. Da fühle ich mich angesprochen. Die „Erneuerbaren“ sollen es also richten! Können die das?
Wer ernst genommen werden will sollte wissen, dass bei der angestrebten Zielerreichung „Klimaneutralität 2050“ -allein auf Basis erneuerbarer Energien- die Physik und die wirtschaftlichen Zusammenhänge bei den politischen Entscheidern nicht gänzlich außer Acht gelassen werde dürfen.
Nur Klimaneutralität zu fordern, ohne dabei zu sagen, wie es gehen soll, stärkt allenfalls das moralische Selbstwertgefühl der Glaubensanhänger.
„Klimaneutralität“ bedeutet keine CO2-Emissionen in allen Bereichen der Industrie, Chemie, Stahlerzeugung, Baustoffe, Zement, Verkehr und Gebäude. Sie allein mit „Regenerativen Energieträgern“ zu erreichen, wird kaum gelingen und zudem extrem teuer.
Um das Ziel zu erreichen, bedarf es einer ganz anderen Energieerzeugung!
Wo stehen wir nach 20 Jahren EEG, den welthöchsten Stromkosten und Ökostrom-Umlagen von 30 Milliarden EURO pro Jahr? Der Anteil am Primärenergieverbrauch liegt gerade einmal bei 3,0 % Wind und 1,3 % Solar. „Mit diesen Erneuerbaren, damit wollen wir`s richten?“
Zur Erreichung der Klimaneutralität –vorwiegend mit Wasserstoff– werden gigantische Strommengen benötigt. Gleichzeitig bauen wir gerade 58% der Erzeugungskapazitäten ab (fossil, nuklear). Allein die Chemie würde für die Transformation zur Klimaneutralität 100.000 Windräder benötigen. Die Stahlerzeugung auf Wasserstoff umzustellen ist kein Hexenwerk, benötigt werden aber 58 GW Strom – entspricht 2/3 der Kraftwerks-Grundlast! Allein dafür wären weitere 12.000 Windräder erforderlich, deren Flatterstrom aber zur Stahlerzeugung nicht taugt. Zum Vergleich: In RLP stehen 1.800 Windräder.
Nach der Studie Forschungszentrum Jülich „Transformation Strategies 2050 Study Summary 2019- 10-31“ ist die Zielerreichung 95% CO2-Reduktion 2050 teuer, aber machbar. Die Kosten betragen jedoch 128 Milliarden EURO pro Jahr. Für 100% wären die Kosten ungleich höher.
Die Fakten zeigen, die Energietöpfe die zu erschließen sind müssen von einer ganz anderen Größenordnung sein. Die Deckung aus deutschem Wind-/Solarstrom anzunehmen ist geradezu kindisch.
Können wir „Klimaneutralität“ stemmen? Welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich? Wir stecken in einem Dilemma.
Folgende Lösungsmöglichkeiten bieten sich an: Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse, gespeist durch Solarparks (z.B. in Nordafrika oder auf schwimmenden Inseln im Mittelmeer) und Windparks (z.B. auf Spitzbergen oder Patagonien) sowie eine neue Kernkraft-Technologie: Den Dual-Fluid-Reaktor. Er erzeugt CO₂-frei Strom oder Prozesswärme und ist inhärent sicher. Ein ganz wesentlicher Nutzen dieser neuen Technologie liegt darin, dass als Brennstoff Castoren-Müll verwendet wird. Die Suche nach einem Endlager erübrigt sich daher. Übrig bleiben nur Restmengen an Spaltprodukte, deren Radioaktivität nach 300 Jahren geringer ist als Natururan aus dem Schwarzwald.
Der neue Reaktor (so groß wie ein Einfamilienhaus, unterirdisch) kann Strom oder Prozesswärme erzeugen zur Herstellung von Treibstoff für Brennstoffzellen-Autos, synthetischen Kraftstoff aus Wasser und CO₂ oder GRÜNEM Wasserstoff für konventionelle Verbrennungsmotore.
Wasserstoff kann zum Öl des 21. Jahrhunderts werden. Wir müssen umsteigen statt aussteigen! Mit Hilfe der neuen Nukleartechnologie können wir unseren Wirtschaftsstandort Deutschland mit wettbewerbsfähigen Energiekosten und hochqualifizierten Arbeitsplätzen sichern, die Grundlage unseres Wohlstands–und- erreichen die Klimaneutralität in 2050.
So sieht die Alternative zum bisherigen Herumdoktern aus. Bisher wurden die Klimaziele verfehlt und Fehlentwicklungen durch milliardenschwere Subventionen zugedeckt. Gleichzeitig schnellten die Energiekosten in die Höhe und wir laufen Gefahr unsere exportgetriebene Industrie in den Abgrund zu fahren. Es geht um unsere technologische Führung, an der zehntausende Arbeitsplätze hängen.
Klimaneutralität ist ein hohes Gut. Unideologisch müssen wir zur Erreichung der Klimaziele 2050 vorgehen und moderne Kernkraft einen Hauptbeitrag leisten lassen. Unsere Ingenieure genießen Weltruf und wir können auf eine hochqualifizierte Facharbeiterschaft bauen. Mit Kernkraft kann Klimaneutralität gelingen, ohne –wegen der enormen Kosten– nicht.
Heinrich Hofmann
Dipl.-Ing.
Worms